Statssicherheit und Justiz in der DDR

Einführendes zum Thema

Die Staatssicherheit der DDR

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in der DDR, auch bekannt als „Stasi“, war eine der umfangreichsten Geheimpolizeibehörden der Welt. Ihr Hauptziel war es, das Regime in der DDR zu schützen und zu erhalten. Dazu überwachte sie die Bevölkerung der DDR und sammelte Informationen insbesondere über politische Gegner*innen und Ausreisewillige. Es war verboten, mit Ausnahme von Rentner*innen, die DDR ohne staatliche Genehmigung zu verlassen. Die Stasi war eine der wichtigsten Institutionen des DDR-Regimes. Sie hatte weitreichende Befugnisse und konnte ohne Gerichtsbeschluss in das Leben der Menschen eingreifen. Die Stasi nutzte eine Vielzahl von Methoden, um Informationen zu sammeln. Dazu gehörten unter anderem Telefonüberwachung, Observationen, Durchsuchungen, Postkontrolle, Verhaftungen und Verhöre. Die Stasi hatte auch eine Vielzahl von Informant*innen in der Bevölkerung. Diese sogenannten IMs (Inoffizielle Mitarbeiter) waren Personen, die für die Stasi Informationen über ihre Freunde, Familienmitglieder, Nachbar*innen und Arbeitskolleg*innen sammelten. Motive, ein IM zu werden konnten einerseits finanzielle oder berufliche Anreize sein oder durch Erpressung durch das MfS zustande kommen.

Im Folgenden werden drei Geschichten erörtert, die individuelle Schicksale mit der Stasi und der Justiz der DDR aufzeigen. Dabei befasst sich jede Geschichte schwerpunktmäßig mit einem der drei Zeitabschnitte der Konfrontation:

1. Die Gründe für eine Verhaftung

2. Der Akt der Festnahme

3. Der Gerichtsprozess 

1. Die Gründe für eine Verhaftung

Ein Flyer der zu einer Haftstrafe führte

Aufgrund der Verbreitung dieses Flugblatts wurde Frank Karbstein im April 1984 von der Staatssicherheit verhaftet. Auf dem Flugblatt ist zu lesen:

„… heißt es: Ziel vernichtet, so fallen sich die Soldaten vor Freude in die Arme.“

Solange Sie noch Arme haben, verhindern Sie die Vernichtung des Zieles!!!

Kurzbiographie Frank Karbstein

Frank Karbstein wurde interviewt, weil er als politischer Gefangener in der DDR inhaftiert war. Er setzte sich gegen den Dienst an der Waffe ein und hatte heimlich Flugblätter verteilt.

Wie ging es weiter mit Herrn Karbstein?

Über den Zeitzeugen Herrn Karbstein

Nach seiner Verhaftung wurde Herr Karbstein über drei Monate hinweg in der Untersuchungshaftanstalt Amthordurchgang in Gera vernommen. Es stellte sich für ihn heraus, dass die Staatssicherheit schon viele Informationen gesammelt hatte, die bewiesen, dass er für die Erstellung und Verteilung der Flugblätter zumindest mitverantwortlich war. Herr Karbstein wurde zu einem Jahr Haftstrafe verurteilt. Begründet wurde das Urteil laut Herrn Karbstein mit: „[…] wir […] haben gegen Gesetze der DDR verstoßen und Pazifismus ist ganz gefährlich und sowas.“ (Minute 15:07) Nach der Wende und nach Einsicht in seine Stasi-Akten musste Herr Karbstein feststellen, dass er und seine Mitstreitenden von einem Freund verraten worden waren, der die Flugblätter bei einem der Beteiligten in der Schreibmaschine gesehen hatte. 

2. Der Akt der Festnahme

360° Video eines Gefangenentransporters

Kurzbiographie Silvia Krause

Die ehemalige DDR-Bürgerin Silvia Krause (ehemals Steffan) wurde 1958 in Greiz (DDR) geboren. Zusammen mit ihrem Mann stellte sie 1986 einen Antrag zur ständigen Ausreise aus der DDR. Es folgte eine zweijährige Wartezeit, in der sie regelmäßig sogenannte „Bekräftigungserklärungen“ an die DDR-Behörden schrieben, um ihren Ausreisewunsch zu bekräftigen. In einem dieser Schreiben kritisierten sie die Politik der Regierungspartei SED sehr deutlich (siehe „Bekräftigungserklärung“).

Die „ständige Ausreise“ aus der DDR – ein schwieriges Unterfangen

In der DDR war es Bürger*innen möglich, einen Antrag auf „ständige Ausreise“ zu stellen, d.h. die DDR dauerhaft zu verlassen. Ohne einen solchen Antrag war eine Ausreise illegal und als „ungesetzlicher Grenzübertritt“ strafrechtlich bedroht. Anträge auf dauerhafte Ausreise vor dem Rentenalter konnten negative Auswirkungen für Antragsteller*innen haben, wie z.B. den Verlust der Arbeitsstelle. Außerdem konnte der Antrag dazu führen, dass Antragsteller*innen beim Ministerium für Staatssicherheit als sogenannte „feindlich-negative Personen“ eingestuft wurden und es zu einer „genaueren Beobachtung“ kam. Kurzfristig bedeutete die Ausreise von Ausreisewilligen für die DDR eine Entlastung, da unzufriedene Bürger*innen das Land verließen. Langfristig überwogen bei dieser Vorgehensweise für die DDR jedoch die Nachteile: insbesondere gut ausgebildete Menschen wie Facharbeiter*innen, Ärzt*innen, Ingenieur*innen, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen verließen auf diese Weise das Land. Außerdem kaufte der westliche Nachbar, die Bundesrepublik Deutschland, politische Gefangene der DDR frei. Darauf spekulierte die DDR-Führung und konnte auf finanzielle Mittel hoffen, wenn sie Menschen festhielt. Gegen Geld durften diese Gefangenen die DDR dann in Richtung Bundesrepublik verlassen. Zwischen 1961 und 1988 wanderten etwa 383.000 Menschen mithilfe eines Ausreiseantrages aus der DDR aus, während etwa 222.000 Menschen anderweitig das Land verließen. Sie flüchteten über die innerdeutsche Grenze, kauften sich selbst aus der politischen Haft frei oder kehrten von einer genehmigten Reise nicht zurück.

"Bekräftigungserklärung"

3. Der Gerichtsprozess

Schwurgerichtssaal Gera mit ehemaligen Überwachungsraum der Stasi

Kurzbiographie Haase

Baldur Haase (geb. 1939 in Markausch) erlernte den Beruf des Druckers. Im Januar 1959 wurde er festgenommen, weil er von einem Brieffreund in der Bundesrepublik den in der DDR verbotenen Roman „1984“ von George Orwell zugeschickt bekommen und sich mit anderen darüber unterhalten hatte. Wegen „staatsgefährdender Hetze“ und „Sammlung von Nachrichten“ wurde er zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Im April 1961 wurde er in die DDR entlassen.

Diskussionsfragen

1.Wie sah politischer Widerstand in der DDR aus, und welche Rolle spielte die Stasi bei der Unterdrückung oppositioneller Bewegungen?

2. Inwiefern beeinflusste die repressive Politik der Stasi das Gefühl der Freiheit und individuellen Selbstbestimmung in der DDR?

3. Welche Auswirkungen hatten Verhaftungen durch die Stasi auf das soziale Umfeld und das Vertrauen innerhalb der Gesellschaft?

4. Wie gestaltete sich die juristische Verfolgung politisch oppositioneller Personen in der DDR, und welche Rolle spielte die Justiz bei der Unterstützung oder Kontrolle der Stasi?